Dorothée Leipoldt
Figurenherbst 2008
Bei dem Begriff „Figurenherbst“ dürften sich einige Hallenser sofort an den „Figurensommer“ erinnert haben, der nach fünfjähriger Existenz bereits zur Institution geworden war. Tatsächlich handelte es sich dabei um eben dieses Figurentheaterfestival, das immer auch andere künstlerische Bereiche, wie bildende Kunst und Musik, mit einbezieht.
Diese Jahr ist der Figurensommer nun in seinen Herbst gekommen, denn das diesjährige Festival bildete die Abschlussveranstaltung der Reihe. Nun befindet er sich im Winterschlaf, wobei unklar ist, ob ihn jemals wieder jemand daraus erwecken wird.
Wie in der Bezeichnung schon anklingt, fand das Festival dieses Jahr zu einem späteren Zeitpunkt statt als sonst, nämlich vom 9. bis 12. Oktober. Während es aber bei den Sommerveranstaltungen oft geregnet hatte, wurden Mitwirkende und Zuschauer in diesem Jahr mit einem Goldenen Figurenherbst belohnt.
Obwohl am Donnerstag die Sonne noch nicht ganz so brillierte, war es dennoch sehr bedauerlich, dass der angekündigte Umzug nicht stattfinden konnte, der sicher immer das werbewirksamste Mittel des Figurensommers gewesen ist und mit seinen Figuren, die ganz in Weiß durch die Straßen zogen, selbst schon zu einer Art Markenzeichen der Veranstaltung geworden war. Da sie aber dieses Jahr nicht im Burggraben der Burg Giebichenstein, sondern in der Großen Steinstraße 30 stattfand, und somit weitaus weniger Plätze zur Verfügung standen, erwies sich zusätzliche Werbung auch als überflüssig. Die Größe des genutzten Raumes, der sich stets angenehm gefüllt, aber nie übervoll zeigte, war dem Besucherzustrom durchaus angemessen.
Das Motto des diesjährigen Figurenherbstes war „Helden des 21. Jahrhunderts“, das, wie die Initiatorin Steffi Lampe berichtete, bei der Auswahl der Stücke mehr Probleme aufwarf, als anfangs vermutet. Dennoch sei ihr dafür ein Kompliment ausgesprochen, denn die Verkleinerung der Veranstaltung zog keine Qualitätseinbußen bezüglich der Darbietungen nach sich. Neben altgedienten Mitwirkenden wie Inga Schmidt und Ronald Mernitz, deren Kompetenzen eine nochmalige Einladung mehr als rechtfertigte, waren dieses Jahr neben Studenten der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin auch erstmals Studierende der Hochschule Stuttgart vertreten.
Die Galerie bildender künstlerischer Werke im Hof und im Varieté-Raum zeigte ganz verschiedene Auseinandersetzungen mit dem Thema der Veranstaltung – von verschiedenen „Heldenkisten“, in denen kleine Helden großen Meeresungeheuern trotzten, über Bearbeitungen von Homers Ilias und dem indischen Heldenepos Ramayana, wurde auch Barbie als Heldin des 21. Jahrhunderts nicht vergessen und der Figurensommerclown in Posen historischer Helden gezeigt. Beim Betreten des Hofes traf man auf einen goldenen Streitwagen, gelenkt von einer kleinen weißen Königin mit Clownsnase und eine Lochwand, hinter der man sein eigenes Gesicht parodierten Heldenfiguren leihen konnte, was an Jahrmarktsattraktionen vergangener Zeiten erinnerte.
Besonders hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang eine Bildergeschichte von Maria Taebling mit dem Titel „Bei Oma ist die Welt rund oder Zwei Fische in einer Pfütze“, die sich im Hintergrund des Theaterraumes eher unscheinbar ausnahm. Ideenreich und liebevoll, witzig und dabei großartig gezeichnet wurde hier im kleinen Format eine große Alltagsheldin dargestellt.
Peter Hacks Satz „Kein Held ist jeden Tag einer“, der auf einem Banner im Zuschauerraum des gemütlich gestalteten Raumes prangte, gab ein gut gewähltes Motto der Veranstaltung ab. Sämtliche Aufführungen und Darstellungen haben den Helden von seinem überdimensionalen Sockel gestürzt und sich von der Ernsthaftigkeit vergangener Heldenmythen verabschiedet.
Ich komme nun zu den einzelnen Darbietungen des Festivals.
Der erste Abend des Figurenherbstes bildete eine Kooperation mit dem Tango-Varieté, was die diesbezügliche Komponente der Donnerstag-Aufführungen erklärt.
Zuerst konnte man die Argentinierin Natalia Villanueva mit einer humorvollen Tangodarbietung erleben, die allerdings nicht direkt eine Parodie des Genres bildete, wie man vielleicht erwarten würde, sondern eher einen witzigen Tanz mit einer lebensgroßen Puppe, jedoch ohne eine tiefere Botschaft vermitteln zu wollen. Es erklangen legendäre Tangos wie „Se dice de mi“, der einst Tita Merello berühmt machte, oder „El Choclo“, während die elegante, brillante Tänzerin in die Rolle des Mannes schlüpfte und im zweiten Teil eine Puppenfrau tanzend zum Leben erweckte. Allerdings war der Auftritt, aufgrund der insbesondere anfangs etwas zäh wirkenden Komik vor allem ein Genuss für Fans des argentinischen Tangos, die den Hauptteil des Publikums bildeten, was sich in positiver Resonanz niederschlug. Kurzweilig und schön anzusehen!
Die zweite Veranstaltung des Abends war, im Gegensatz zur vorherigen, nicht Tango mit Figurentheater, sondern Figurentheater mit Tango: Knneesebeck und Böswetter.
„Noch 52 wunderschöne Böswetterminuten!“ Die vergnügliche Stunde mit Zeitansagen wurde gestaltet von Allesredner Arnold Böswetter (gespielt von Wolfgang Lasch), einem liebenswerten älteren Herrn mit Schaumgummikopf, der auch gewisse Geschmacklosigkeiten mit einer gewissen Galanterie präsentierte. Die musikalische Untermalung des Programms, insbesondere der sinnfreien, launigen Gesangseinlagen, lieferte das etwas steife, von der anstrengenden Zusammenarbeit dauerhaft genervte, Fräulein Kneesebeck, geb. Schröder (Sabine Raatz) am Akkordeon, gewandet in festlicher Robe, die ihr virtuoses Akkordeonspiel übrigens an Finanzamtschreibmaschinen geschult haben soll. Als Running Gags dienten ein fehlender Haken für die Aktentasche und der Satz „Was will ich, wo will ich hin?“, eigentlich ein Grundsatz der Schauspielpädagogik, hier jedoch scherzhaft verwendet, um die Zerstreutheit des Herrn Böswetter zu verdeutlichen, der in einem fort atemberaubende Gedankensprünge vollführte. Einen zentralen Teil des Programms bildete spontane, sowie planvolle Arbeit mit dem Publikum, ganz besonders einem armen Unfreiwilligen, der es gewagt hatte, sich in die erste Reihe zu setzen.
Zum Ausklang des Abends konnte, wie jeden Donnerstag im Tango-Varieté, getanzt werden.
Der Freitagabend begann mit dem Jazzchor In Tune, dem Vokalensemble des Georg-Friedrich Händel-Konversatoriums, unter der Leitung von Volker Kruschynski. Anfangs intonierten die Sänger die komplizierten, einfallsreichen Arrangements von Jazz- und Pop-Standards noch etwas unsicher, doch gegen Ende kamen die schönen Harmonien sehr gut zur Geltung und ermöglichten dem Publikum einen mitreißenden Einstieg in den Freitagabend.
Eine halbe Stunde später hob sich der, nicht vorhandene, Vorhang zum ersten Höhepunkt des Festivals: Die Reise zum Mittelpunkt der Welt, gespielt von Ronald Mernitz und Tilo Müller, die neben Holger Friedrich (Regie) auch Verfasser des Stücks waren. Die Ausstattung stammt von Axel Jirsch.
Handwerkliche Virtuosität verbindet sich mit grandioser Spielfreude zu einem turbulenten, wunderbar albernen, Theatererlebnis. Die beiden Spieler, die ja schon zu den „alten Hasen“ des Figurentheaters gehören, parodieren als Professor Lindenbrok und Arne Sacknusen die Entdecker-Heldenmanier à la Jules Vernes, sowie „realer“ Entdeckungsmythen. So findet zum Beispiel ein Fahnenappell auf einem unbekannten Planeten statt, bei dem die Nationalhymne mit einer Minitröte intoniert wird. Der Planet stellt sich dann allerdings als der Mond heraus und ist also bereits entdeckt. Gespielt wird ausschließlich mit Alltagsgegenständen, den Bühnenmittelpunkt bildet ein altes Bettgestell, das mal als Raumschiff, mal als Fahlstuhl, mal als Boot fungiert. Die Umbauten finden auf offener Bühne statt, während der zweite Spieler den weiteren Fortgang der Geschichte schildert, die vor allem aus jeder Menge spektakulärer Abstürze besteht, wie zum Beispiel dem endlosen Sturz aus einem Hochhaus in die Kanalisation von Singapur, wo es von riesigen, weißen, blinden Alligatoren wimmelt und die Helden von den Fluten des Monsun überrascht werden.
In wahrem Heldenlatein werden wir von Arne Sacknusens 10jähriger Erfahrung in allen vorstellbaren Berufen unterrichtet und das Ende des Stücks bildet das Casablanca-Zitat: „Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“.
Die Turbulenz des Stückes ließ seine zeitliche Länge kaum zu Bewusstsein kommen und das Publikum lachte ausgelassen. Herrlicher Klamauk!
„Kann Spuren von Helden enthalten!“. Mit einem Programm völlig anderer Art warteten im Anschluss die Studierenden der Kunsthochschule Stuttgart, Studiengang Figurentheater, auf. Das Motto des Festivals diente ihnen gleichzeitig als Titel ihrer Bearbeitung des Themas: Helden des 21. Jahrhunderts. Leicht war es nicht für die Studierenden des 1. Studienjahres nach 2 „Vollprofis“ auf der Bühne zu bestehen. Dennoch machten sie ihre Sache gut und das Wagnis wurde ihnen vor allem durch die grundsätzliche Andersartigkeit der beiden Darbietungen erleichtert.
Die einzige Gemeinsamkeit zum vorherigen Stück bildet die Spielweise: offenes Spiel und Objekttheater. Während dem ersten Stück zwar eine episodisch gereihte, aber dennoch klar erkennbare Handlung zugrunde liegt, haben wir es hier eher mit einer Art Skizze zu tun, einer Collage, die mit verschiedenen Heldenklischees und –vorstellungen arbeitet.
Im Gegensatz zum klassischen Figurentheater ist diese Art des Theaters, wie viele moderne Kunstformen, dem ungeübten Zuschauer eher schwer zugänglich, da sie dem natürlichen Bedürfnis des Menschen nach Decodierung im Sinne einer geschlossenen Handlung zuwider läuft. Wenn man aber fähig war, die Gedankenspiele einfach als solche hinzunehmen, bot die einfallsreiche, gut gespielte und von vielen witzigen Elementen durchzogene Darbietung einen unterhaltsamen Ausklang des Abends, der trotz der fortgeschrittenen Zeit zu zerstreuen vermochte.
Die beiden folgenden Tage begannen jeweils mit Kindervorstellungen.
Wer am Samstagnachmittag den Theaterraum betrat, sah sich zuerst einer Szenerie aus alten Koffern, Kisten und Containern gegenüber, die durch Röhren verbunden waren und eine Hafenkulisse darstellten. Sie gehörte zu dem Stück Wie der Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte.
Dabei handelte es sich um das Vordiplom von Stefan Spitzer (Schauspielschule Ernst Busch, Abteilung Puppenspielkunst), der auch die Ausstattung und Puppen gefertigt hatte. Hier spielte er zusammen mit Inga Schmidt, die langjährigen Figurensommerbesuchern keine Unbekannte sein dürfte, da sie in den letzten Jahren mehrfach schon eigene Stücke präsentiert hatte.
Es wird auf verschiedenen Ebenen des Schrott-Gebildes, auch in den Kisten, offen und verdeckt mit wunderschön gestalteten Figuren gespielt.
Seine Komik zieht das Stücks, das sehr traurig beginnt, aus vielen Details und vor allem der grotesken Situation, in die die kleine Möwe gerät, die den Kater Zorbas für ihre Mutter und sich für eine Katze hält. Zorbas hatte ihrer Möwen-Mutter sogar versprochen, ihr das Fliegen beizubringen, was die Katzen vor einige Probleme stellt und nur durch einen großen Tabubruch, nämlich mit Hilfe eines Menschen, genauer des Dichters, gelingt. Große Empathie für die Figur der Möwe wird vor allem durch die naiv-hilflose Weise geweckt, in der sie sich inmitten unendlicher Gefahren bewegt, aber die räudigen Hafenkatzen erweisen sich als die besseren Menschen von unerschütterlicher Loyalität der kleinen Möwe gegenüber, so dass ihre Freundschaft selbst eine gemeine Intrige der Ratten übersteht.
Die sehr verschiedenen Charaktere der Figuren sind auch in sich von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet und dennoch leicht fassbar. Überhaupt wird hier deutlich, dass auch ein Kinderstück nicht immer holzschnittartig-einfach strukturiert sein muss, durchaus mit Freude an inhaltlichen Details arbeiten und trotzdem funktionieren kann. Denn auch wenn die Kinder nicht alle spielerischen Finessen durchschauen, die bewirken, dass die Inszenierung auch für Erwachsene zu einem Theatergenuss wird, ist das für das Verständnis des Ganzen oft unerheblich.
Die große Spielfreude der beiden Spieler und stimmungsvolle musikalische Untermalung tat ihr Übriges zu einer rundum gelungenen Aufführung.
Der Abend wurde wieder eingeleitet mit einer musikalischen Darbietung.
Diesmal stand ein höchst liebenswertes Ensemble auf dem Programm, Catrina und die Drahtzieher, das vor allem vom Charisma und dem lyrischen Talent von Chansonette Catrina Steffen getragen wurde, die auch Akkordeon spielte. Ihre Begleiter waren Steffen Rabenstein an der Gitarre, dessen Flötenspiel auch eine orientalische Komponente ins kurzweilige Programm einbrachte, und Sebastian Günther an der Bariton-Balalaika. Das Trio hat seinen Ursprung in der Zirkuskapelle des kleinen, innovativen Zirkus´ „Kala Shejtan“, der vielen Hallensern ein Begriff sein dürfte. In stimmungsvollen Interpretationen wurden sowohl neue Stücke, als auch beliebte, alte Zirkushits, die mit den Jahren zweifellos an Qualität gewonnen haben, intoniert. Dabei wechselte ein Tempo, in dem die Spieler sich zuweilen selbst zu überholen schienen, mit spannungsvoller Ruhe. Osteuropa bildete den allgemeinen regionalen Schwerpunkt der Stücke, aber auch wenig bekannte deutsche Volkslieder wurden zu Gehör gebracht, sowie eine interessante A-cappella-Version von Goethes „Heidenröslein“.
Des weiteren stand an diesem Abend ein weiteres Vordiploms-Stück auf dem Spielplan. Im klassischen verdeckten Spiel wurde auf einer, alles andere als klassischen Bühne im Enterprise-Format das Stück Star Freak – The Next Attraction aufgeführt.
Das Stück ist so, wie der Titel klingt – schräg und eine Lachmuskelattacke. Allerdings handelt es sich um eine reine Star-Trek-Parodie, weshalb man wohl einschränkend sagen muss, dass Nichtkenner des Originals vermutlich nur den halben Spaß daran haben. Das gesamte Personal des Rauschiffs „Männerschweiß“ ist klar wiedererkennbar und mit diversen deutschen Dialekten, sowie ähnlichen Namensänderungen wie das Raumschiff versehen („Elektrospast“ Dada beispielsweise). So auch altbekannte Feinde der Sternenflotte, die „Remouladen“.
Zuweilen etwas flache Gags werden durch die großartige Ausstattung mehr als aufgewogen, die mit einfachen Mitteln größtmögliche Effekte erzielt: zum Beispiel die Darstellung des Gottes des Universums, die ich hier schwer beschreiben kann, ist großartig. Die, zuweilen aberwitzige Handlung, in der vor allem die Krise des cholerischen Captain, drei Liebesgeschichten und die Bombe eines bedeutenden Wissenschaftlers eine Rolle spielen, möchte ich hier nicht im einzelnen wiedergeben. Wie nicht anders zu erwarten, endet sie in völliger Absurdität.
Das lange, jedoch sehr vergnügliche und damit kurzweilige Stück, an dem, neben vielen anderen, wiederum Inga Schmidt beteiligt war, entließ ein begeistertes Publikum in die Samstagnacht.
Die Sonntagsveranstaltungen begannen wieder, wie sollte es an einem Sonntag auch anders sein, mit einem Familienstück.
Compagnie Câline: Kleine Tiergeschichten. Der Originaltitel des Stücks, der eine deutlichere Vorstellung von dem vermittelt, was dieses Stück ausmacht, lautet „Die Blumen der Madame Accent Aigu“. Inga Schmidt führte Regie und Karin Schmitt (Halbfranzösin, Halbschwedin) spielte.
Das Bühnenbild, gestaltet von Christof von Büren, besteht aus einem mit pastellfarbenen Stoffen verkleideten Haus mit vielen Fenstern, aus und hinter denen immer neue Figuren auftauchen, und das sich zuweilen wild dreht. Das Haus ist ein Hotel, in dem die Madame, die mit charmantem französischen Akzent spricht, die Tiere aus dem Blauen Wald aufgenommen hat, nachdem dieser abgeholzt wurde. Das einzige Handlungselement der bildorientierten Inszenierung besteht darin, dass der Hase Geburtstag hat und Madame einen Kuchen für ihn bäckt, den er schließlich doch nicht bekommt. Es gibt viel Musik unterschiedlicher Genres, die die Welten hinter den Fenstern, wie zum Beispiel ein Aquarium, belebt. Die starken Bilder und das Auftreten vieler Tiere macht die Darbietung vor allem für sehr kleine Zuschauer bis 3, maximal 4 Jahre, eindrucksvoll. Die völlige Konfliktlosigkeit und die Undeutlichkeit der Charaktere bringt es allerdings mit sich, dass sie für größere Kinder, die eine klare Identifikationsfigur suchen, schnell langweilig wird. So wirkt das Stück vor allem auf die Sinne, weniger auf den Intellekt und ist für Erwachsene besonders aufgrund seiner liebevollen Gestaltung schön anzusehen, wenn auch nicht wirklich spannend. Sehr romantisch, sehr französisch!
Den musikalischen Beitrag des letzten Abends erbrachte die Hallenserin Eva Maria Emmer. Insgesamt eher introvertiert wirkend, brachte sie, virtuos gitarrespielend, singend und pfeifend, eigene, auch eigenwillige, sehr lebendige Interpretationen großer Hits wie „Light my fire“ oder „Guantanamera“ zu Gehör. In diesem Zusammenhang ist auch eine großartige Interpretation von „Girl from Ipanema“ zu erwähnen. Von ihren Eigenkompositionen waren die „spanischen Impressionen“, ein Instrumentalstück, besonders eindrucksvoll. Ihre Kompositionen mit deutschen, schwärmerischen (im Sinne von konfliktfrei schönen) Texten erinnerten in ihrer Stimmung etwas an Songs von K. D. Lang. Den Rahmen des Auftritts bildeten Stücke auf anderen Instrumenten, eine Begrüßung mit Percussion und eine Verabschiedung mit Akkordeonspiel. Allerdings sein hierzu bemerkt, dass diese Zugaben überflüssig waren, denn an der Gitarre, deutlich hörbar ihrem „eigentlichen“ Instrument, machte Frau Emmer weit größeren Eindruck.
Die letzte Aufführung des Figurentheaterfestivals wurde von Cathrin Bleyl und Wolfgang Lasch, der am Donnerstag schon als Arnold Böswetter zu erleben gewesen war, bestritten, die zusammen das Felgentreu-Grünmeffert-Theater Babelsberg bildeten.
Der Auftritt von Herrn Felgentreu vollzieht sich als der eines Opernsängers, der erst endlos in Starallüren badet und schließlich mit „Junge, komm bald wieder“ eröffnet. Auftritt Frau Dr. Hutzler-Grünmeffert, einer etwas strengen, älteren Dame im grauen Kostüm und mit Dutt, die sich als Literaturwissenschaftlerin der Pflege deutschen Literaturguts verschrieben hat. Sie trägt Julius Wolffs Ballade In Sturmes Not (Untertitel: „Ein Friesenschicksal“) vor (allerdings leider ausgestattet mit einem kratschenden Headset), während Herr Felgentreu das Geschehen in einer Guckkastenbühne mit Puppen illustriert. Dabei ist die Geräuschuntermalung bisweilen so laut, dass man den Text nicht mehr versteht, der allerdings nach und nach zur Nebensache gerät, da sich ein theaterinterner Streit entspinnt, weil jeder sich vom anderen schikaniert fühlt. Die Kommentare der Puppen, die sich oft nur widerwillig in ihre Rollen fügen sind vulgär und flapsig und stehen damit in starkem Kontrast zu Wolffs pathetischem, zuweilen schwülstigem, Text. Sie übernehmen auch die wörtliche Rede des Balladentextes, was in den Sprachmasken der Puppen amüsiert, wie auch der Umstand, dass sie ständig den Text vergessen und verwechseln.
Insgesamt zerfällt das Stück in drei unverbundene Teile, von denen der letzte zweifellos der stärkste ist und in denen Wolfgang Lasch sich als vielseitiger, virtuoser Spieler erweist. Nach der unvollendeten Wolff-Ballade folgt der Auftritt des Geigers Lepsch, einer, durch einen aufgesetzten Schaumstoffkopf, überlebensgroßen Figur, die mit sächsischem Dialekt und insgesamt eher uncharmant, aber sehr schön schrullig gespielt wird.
Danach folgt der erklärte Höhepunkt der Darbietung: „Die Kaution“ von Friedrich Schiller. Nach dem gleichen Konzept wie Wolff wird nun Schillers „Bürgschaft“ vorgetragen, wobei Herr Felgentreu das Publikum in die Geräuschuntermalung mit einbezieht, was Frau Dr. als seriöse Wissenschaftlerin natürlich albern findet, womit sich der Konflikt zwischen der Theoretikerin und dem Pragmatiker fortspinnt. Da die vergnügten Zuschauer, die mit Klapperdosen Naturgewalten darstellen, einen Höllenlärm veranstalten, verlässt Frau Dr. wutentbrannt das Theater, weshalb ein Unfreiwilliger aus dem Publikum das Textlesen übernehmen muss.
Nach anfänglichen Bedenken, ob das schon zu Beginn recht durchschaubare Konzept ein ganzes Stück lang trägt, vor allem, weil es anfangs noch nicht so wahnsinnig mitzureißen vermochte, überzeugte ein schließlich Tränen lachendes Publikum vom Gegenteil. Selten haben deutsche Klassiker und Mitmachtheater so viel Spaß gemacht!
Mit dieser Darbietung war ein würdiger Abschluss des Abends, sowie des Festivals insgesamt gelungen.
Zum Schluss sei noch die legendäre Moderation der Initiatorin der Veranstaltungsreihe Steffi Lampe (selbst Absolventin der Schauspielschule Ernst Busch im Bereich Puppenspiel) erwähnt, die wie immer in ideenreichen, schön formulierten und -präsentierten Ansagen bestand, diesmal bisweilen umwölkt von liebenswerten Anflügen schwangerschaftsbedingter Zerstreutheit. So viele Namen ...
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